Freitag, 2. April 2010

Die Villa Amista bei Verona

Das ganze Haus hängt voller Spiegel.
Mitten in den Hügeln von Valpolicella mit Blick auf die Weingärten finden wir uns in einer dieser traditionellen barocken Villen im venezianischen Stil, in der Villa Amista ein. Der riesige Kronleuchter im Empfangsraum zieht unsere Blicke auf sich. Eine seltsame Mischung aus dem Prunk der alten Zeiten,  neuinterpretiert in modernem Design  lässt staunen  und  trifft auf eine nicht leicht festzumachende Schwermut im ehemaligen großen Ballsaal. Eben noch vermittelte der Springbrunnen vor dem Treppenaufgang in diesen zeitigen Frühlingstagen eine Vorfreude auf die Leichtigkeit des Sommers, da taucht schon die Frage nach den vielen Geschichten dieses Anwesens auf.

Ich blicke in einen der großen geschwungenen venezianischen Spiegel.



 
Sie sitzt davor, bürstet sich die dichten roten Locken, während sie auf die Schneiderin wartet, um die Anprobe zu vollenden. Diesmal hatte der Comte einen smaragdgrünen Brokat vom Tuchhändler als Geschenk erhalten, perfekt zu ihren Ohrringen passend. Es ist ruhig im Haus, die Damen für den abendlichen Ball noch nicht eingetroffen, die Herren auf der Jagd.  Sie prüft ihr Haar, wenn auch sonst kleine Makel ihre Schönheit trüben, wie sie sich eingesteht, das Haar hat niemand so schön wie sie. Nein, sie würde es nie übers Herz bringen, mögen die Umstände auch noch so schlecht sein, diese Pracht dem Perückenmacher zu verkaufen.


Etwas irritiert wird sie sich dieser Gedanken bewußt, als sie plötzlich ungewohnte Geräusche aus der Richtung des Fensters wahrnimmt. Sie eilt aus dem Mansardenzimmer zur Brüstung der Balustrade und sieht, wie der Reitlehrer hastiger als sonst in die Halle eintritt und ungeduldig zur Comtessa vorgelassen werden will.


 

Luigi war so aufgeregt gewesen, als sie von Venedig aufgebrochen waren, zum ersten Mal in diesem Jahr durfte er diesmal mit zu Singvogeljagd.

"Uccelli, uccelli", rief er immer wieder in einem lockenden Tonfall. Die Comtessa gab ihm zu Verstehen, dass sie sehr stolz auf ihn sein würde, wenn er zum traditionellen Mahl, einem Dutzend Drosseln,  mit Salbei und Speck auf einem Spieß gegrillt auf einem Polentabett angerichtet, beitragen würde.
Bevor sie aufbrechen, zupft er nervös an seiner Culotte herum und steckt beinahe die herum springenden Bracchi an, schon vorauszustürmen.

Der Comte ist an diesem Morgen mürrisch, es hat während der vergangenen Woche einige Pannen in der Prokuratur  gegeben, ein junger Cousin aus der französischen Linie sägt beständig an seinem Stuhl, man kann ihm aber nichts nachweisen. Der Ehrgeiz seines Sohnes erinnert ihn nur zu deutlich an seine Probleme und er fühlt sich erstmals alt.


 

Das Scharren der Pferdehufe, halblaute Schreie und dann das Schluchzen des Buben, alles fast gleichzeitig und trotzdem wie eine lange Weile, bis die schreckliche Neuigkeit sie erreicht. Der Comte sei von einem Querschläger getroffen worden, man kann sich nicht erklären, wie das geschehen konnte.





Die Comtessa kehrt trotz aller beharrlicher Versuche der Venediger Gesellschaft nicht mehr nach Venedig zurück.  Alles, was ihr bis dahin wichtig gewesen war, bekommt nun eine andere Bewertung. An diesem Ort, an dem sie mit ihrem Gemahl so viele Tage glücklich gewesen war entsteht nun ihr Lebensmittelpunkt. Luigi wächst in einer  Umgebung auf, die eine Leichtigkeit des Lebens vermittelt. In der Ferne umrahmen die Südalpen den Horizont, davor die sanften Hügeln von Valpolicella und rundherum fruchtbare Felder, Weingärten, in der Nähe auch der große See. Fröhlichkeit in der Natur und bei den Menschen dieser Gegend würden Luigi hoffentlich den jähen Tod seines Vaters vergessen machen.


 
Links und rechts des zentralen Weges stehen auf halber Strecke zwei mächtige, alte Olivenbäume. Ihr besonderer Wuchs fällt sofort auf, selbst wenn der Blick eher zum großen, zentral vor der Treppe gelegenen Springbrunnen wandert. Ich habe mich sofort in sie verliebt.

Nun, unter dem rechten hatte sich die Comtessa viele Stunden während der Woche aufgehalten und etwas Trost gefunden, wenn man genau hinsieht, zeichnet der Stamm ihre Locken nach. Beide Stämme neigen sich seitwärts dem Boden zu, als würden sie damit etwas der großen Trauer mildern wollen.



Als Luigi das Erbe seines Vaters antritt, beschließt die Comtessa, das von der Gesellschaft abgeschiedene Leben gewöhnt, nach Venedig zurückzugehen und in einen Nonnenorden einzutreten.  Als sie berechtigt ist, die Schwesterntracht anzulegen, beweist sie mit einer hohen Summe, dass es ihr mit ihrem neuen Leben ernst ist. Noch nie hat der Perückenmacher eine so hohe Summe bezahlt, das Vermögen ihres Mannes bleibt beim einzigen Sohn.

 
Solltest Du einmal die Villa Amista in Corrubbio nördlich von Verona besuchen, umarme die Olivenbäume, deren Stämme sich schwer zum Boden neigen. Die Kronen allerdings  wachsen unbeirrt dem Himmel zu.


Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Heute beherbergt das Haus ein 5 Sterne Hotel mit 60 unterschiedlich eingerichteten Zimmern, mit Designobjekten namhafter moderner Künstler. Möbel, Bilder und Installationen von Leuten wie Vanessa Beecroft, Takashi Murakami und Cindy Sherman erwecken den Eindruck eines Museums moderner Kunst.
Den Geist der unglücklichen Comtessa kann man immer noch spüren. Hat sie den Gestalter der Bilder am Fries der großen Halle inspiriert? 

http://www.reise-nach-italien.de/villen-venetien.html 

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